Lisa Harms
In meinem Projekt „Denkmal-frei: Meine Reise zu den unsichtbaren Denkmälern der Russlanddeutschen“ setze ich mich als russlanddeutsche Künstlerin mit schwer zugänglichen Gedenkstätten auseinander und entwickle die Vision einer neuen, zugänglichen Erinnerungsstätte, die Vergangenes bewahrt und zugleich einen Ort der Hoffnung und Heilung für zukünftige Generationen schafft.
In dem Projekt „Denkmal-frei: Meine Reise zu den unsichtbaren Denkmälern der Russlanddeutschen“ setz sich Lisa Harms als russlanddeutsche Künstlerin mit schwer zugänglichen Gedenkstätten auseinander und entwickelt die Vision einer neuen, zugänglichen Erinnerungsstätte, die Vergangenes bewahrt und zugleich einen Ort der Hoffnung und Heilung für zukünftige Generationen schafft.
Denkmal-frei:
Meine Reise zu den unsichtbaren Denkmälern der Russlanddeutschen
Wenn Erinnerungen zu Stein werden = Denkmäler
Denkmäler, die an die Repression und Deportation der Russlanddeutschen erinnern sollen, sind für die nachfolgenden Generationen nur schwer erreichbar.Die Arbeit an diesem Projekt hat mir die Bedeutung der Erinnerungsarbeit verdeutlicht und mich inspiriert.
Vor diesem Hintergrund strebe ich die Schaffung eines neuen Denkmals an.
Als russlanddeutsche Künstlerin schöpfe ich aus eigenen Visionen und kollektiven Erinnerungen, um an der Idee einer neue Gedenkstätte zu arbeiten.
Mein Ziel ist es, nicht nur Vergangenes zu bewahren, sondern auch einen Ort der Hoffnung und Heilung zu kreieren, der für die Nachfahren zugänglicher ist und die Erinnerung lebendig hält
Klicke die einzelnen Sterne an, um mehr über die Denkmäler zu erfahren!
Falls es Probleme bei der Darstellung der Infotafeln, die sich hinter der Sternen verbergen, gibt, sind weiter unten auf der Seite die entsprechenden Infos über die Denkmäler einzeln aufzufinden. 🙂
„Ein Denkmal kann unerreichbar sein, doch der Denkort – er ist in mir. Auf meiner Suche nach den Denkmälern der Russlanddeutschen, stelle ich fest, dass das Gedenken kein fester Platz in der Welt ist, sondern ein Raum im Inneren. Mein Denkort entsteht aus den Spuren der Vergangenheit, aus den Geschichten und Fragmenten, die ich sammle. Und ich überlege, wie ich etwas Abwesendes anwesend erscheinen lassen kann.“
Monolog:
(Gedanken zum Film „21 Gramm – der unsichtbare Ort“)
Und wenn ich sie selbst tragen muss..
Nichts tut so sehr weh, wie deine Liebsten zu verlieren.
Nichts tut so sehr weh, wie keinen Ort zum Gedenken zu haben.
Kein Ziel, das du in das Navigationssystem eingeben kannst.
Nur eine große innere Leere.
Manchmal weiß ich nicht mal genau, was ich vermisse.
Ich habe das Gefühl, dazwischen zu leben.
Irgendeine Aufgabe noch nicht erfüllt zu haben.
Irgendwas ist noch nicht an seinem Platz.
2041.
Ich werde vorbereitet sein.
Und wenn ich die Erde und Grabsteinreste selbst zusammentragen muss.
Denn Erinnern heißt, solange daran zu schleifen und zu verdichten, bis ein Kristall entsteht.
Oder ein Stein.
Atome und Moleküle gehen nicht weg.
Nur der Zustand und die Anordnung der Materie verändert sich.
Ich habe ab jetzt noch siebzehn Jahre Zeit.
Zeit, die ich brauche, um eine gewisse Ordnung wiederherzustellen.
Zu einem Eins.
Zu einem Denkmal, das die nächsten Jahrzehnte überdauert.
Ich schaue zurück und sehe so viel, dass wir verlassen mussten.
Und obwohl wir mehrmals alles verloren haben, haben wir immer noch so viel zu schleppen.
Unser Gepäck wiegt mehr als es aussieht.
Ich brauche einen Ort, an den ich diese Last bringen kann.
Etwas Physisches, das ich wortwörtlich irgendwo ablegen kann.
Meine Wut und meine Ungeduld.
Und wenn ich erschöpft und ohnmächtig wieder die Augen öffne,
Möchte ich etwas sehen, das mir hilft, aufzustehen.
Etwas, das mich daran erinnert, was es heißt, eine Überlebende zu sein.
Nachkommen von Überlebenden.
Wir sind viele. Unterschiedlicher könnten wir nicht sein.
Ich baue auf den Zusammenhalt, auf die Nächstenliebe und den Fleiß.
Tugenden, die wir vererbt bekommen haben, wenn es nichts mehr zu erben gab.
Erbe verpflichtet.
Ich spüre schützende Hände und Herzen voller Licht.
Und das soll unser Fundament sein.
Ich habe noch nie ein Denkmal gebaut.
Aber das Rezept geht so:
Man nehme je 21 Gramm von den Verbannungsorten.
Denn so viel soll angeblich die menschliche Seele wiegen.
Kasachstan, Ural, Sibirien.
In einen Viehwaggon passen davon reichlich rein.
Wolgawasser durch einen Samowar laufen lassen und 21ml beimischen.
Eine Prise Steppensand hineinstreuen, 21 Gramm.
Die gleiche Menge nimmst du aus der Ukraine, Erde.
Und 21 Gramm von der berühmten Eichenrinde.
21 Gramm aus den Gulags und den Trudarmeelagern.
So viel, wie ich finden kann.
Es kann Kohle oder Birkensaft sein.
Etwas aus der Rüstungsindustrie, Forst- oder Landwirtschaft.
Aus dem Bergbau oder Transportwesen.
Dort findet man bestimmt viele Seelen.
Da kannst du überall einfach deine Hand auf den Boden legen und den Staub einsammeln.
Du kannst es nicht verfehlen.
Einen Schuss Erdöl und etwas Papier unterrühren.
Von Entwürfen, die nicht zum Denkmal wurden.
21 Gramm vom Erlass der Schuldlosigkeit.
21 Gramm von der Rehabilitierung.
21 Gramm aus der Familienbibel.
..
Vielleicht habe ich etwas vergessen.
Dann nimm noch etwas Erde aus deinen Schuhen,
Aus dem Weg, den du bisher gegangen bist.
Schuldlos, Einzigartig, Du.
Erinnere Dich‘
Sobald Du den Faden verloren hast.
Er sich verfangen hat.
Im Wollknäuel unserer Zeit.
Erinnere Dich.
Du hast noch einen.
In deiner linken Brusttasche.
Wenn du nicht mehr weißt, wo Norden ist.
Du dich zu oft gedreht hast.
Im Rad, das weder Anfang noch Ende hat.
Erinnere Dich.
Er ist immer noch da.
Wo der eine Stern so hell leuchtet.
Erinnere Dich, erinnere Dich.
Linke Brusttasche, Stern.
(Lisa Harms, April 2024, Au am Rhein)
Hier die Infotafeln aus der Illustration
Infobox Stern „Frauen“:
Mahntafel für die russlanddeutschen Opfer der Repression
- Ort: Parkfriedhof Marzahn, Berlin
- Material: Granit aus Kasachstan, Bronzeplastik
- Errichtung: 11. Oktober 2001
- Initiative: Svetlana Höschele (CDU), Aussiedlerverein „Vision“
Künstler:
Jakob Wedel „Die letzte Kraft“
Beschreibung:
Dieses Denkmal am Hauptweg des Parkfriedhofs Marzahn erinnert an das unvorstellbare Leid der Russlanddeutschen nach dem Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion. Die ausdrucksstarke Bronzeplastik und die Inschrift „Unseren zu Tode gemarterten Müttern und Schwestern“ gedenken der Opfer. Es steht als Symbol für ihr Durchhaltevermögen und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Doch obwohl das Denkmal zum Gedenken und Trauern einlädt, bleibt es für mich in seiner Ausstrahlung bedrückend.
⭐️Illustration:
Die Frau ist nicht mehr alleine, sie wird von Nachfahren umgeben, die zeigen, dass die Erinnerung und das Überleben gemeinsam getragen werden.
Infobox Stern „Vogel“:
Oben ist der Film „21 Gramm – Der unsichtbare Ort“
Kurzbeschreibung:
Zwischen Steinen, die kaum einer je erreicht, und Erinnerungen, die im Nebel der Zeit verweilen, suche ich nach einem Ort, der meine Geschichte trägt. Die Denkmäler der Russlanddeutschen sind für viele unzugänglich, doch in meiner Spurensuche entdecke ich, dass das Gedenken nicht nur in der Ferne existiert – sondern in mir selbst. Wie würde ich ein Denkmal bauen, wenn ich es könnte? Diese Frage führt mich auf eine Reise zu meinen Wurzeln, zu den Fragmenten der Vergangenheit, die tief in mir verankert sind.
Infobox Stern „Haus“:
Denkmal für die Russlanddeutschen in Engels
- Ort: Engels, Gebiet Saratow, Russland
- Eröffnung: 26. August 2011
- Material: Schwarzer Marmor
- Künstler: Alexander Sadowskij
Beschreibung:
Das 4,6 m hohe Denkmal symbolisiert die Trennung zwischen dem Leben vor und nach der Deportation. Vor der Marmorstele stehen zwei Figuren: ein Erwachsener, der sich in die Vergangenheit zurückzieht, und ein junger Mann, der in die Heimat zurückkehrt. Inschriften von Solzhenizyn und Goethe verweisen auf das Leid und die Hoffnung der Russlanddeutschen.
Historischer Hintergrund:
Errichtet zum 70. Jahrestag der Deportation der Wolgadeutschen, erinnert es an 450.000 Verschleppte ab 1941. Trotz Protesten steht es heute als Symbol für die Rückkehr der Deutschen in die Wolgaregion.
⭐️Illustration:
Die Wand wurde zu einem Haus erweitert und symbolisiert den Neuanfang. Trotz des erlittenen Leids bleibt die Hoffnung auf Wiederaufbau und ein neues Zuhause bestehen.
Infobox Stern „Engel“:
Denkmal für die Opfer von Repression und Deportation
- Ort: Deutsche Kirche, Lutheranskaya-Straße, Kiew, Ukraine
- Eröffnung: 28. August 2011
- Material: Beton
- Künstler: Nikolai Znoba (Bildhauer), Veronika Dyrova (Kunstkritikerin)
Historischer Hintergrund:
Errichtet zum 70. Jahrestag der Deportation der Deutschen aus der Ukraine, wurde das Denkmal durch ukrainisch-deutsche Zusammenarbeit und private Spenden ermöglicht. Es ehrt die Opfer von Repression und Deportation und steht für Erinnerung und Hoffnung.
⭐️Illustration:
Der „Trauernde Engel“ und die Sonnenblume stehen für Hoffnung und Widerstandskraft. Die Blume vermittelt Lebensmut und die Erinnerung an die Verstorbenen, während der Engel Demut und das Gedenken an die Opfer symbolisiert.
Infobox Stern „Hände“:
Denkmal für die Opfer der politischen Repressionen in Halbstadt
- Ort: Halbstadt, Deutscher Nationalrayon, Region Altai, Russland
- Eröffnung: 30. Oktober 2008
- Material: Schwarzer Marmor
- Autoren: W. Iwaschtschenko, S. Markin
Beschreibung:
Das Denkmal zeigt ein „Bruchstück“ aus schwarzem Marmor mit der Darstellung von Händen, die von Stacheldraht umgeben sind, neben einer Blume. Unten steht die Inschrift „An die Opfer der politischen Repressionen“.
Historischer Hintergrund: Errichtet auf Initiative der Bewohner des Rayons, mit Unterstützung der Stiftung „Altai“, erinnert das Denkmal an die zahlreichen Opfer politischer Verfolgung. Finanziert durch lokale Betriebe und Anwohner, symbolisiert es das fortdauernde Gedenken an die Opfer.
⭐️Illustration:
Die geöffneten Hände mit einer Sonnenblume dazwischen stehen für Hoffnung und Widerstandskraft. Trotz des umgebenden Stacheldrahts, der Unterdrückung symbolisiert, wächst die Sonnenblume als Zeichen für das unzerstörbare Leben und die fortwährende Hoffnung.
Infobox Stern „Fenster“:
Denkmal in Trubezkoje/Omsk, Russland
- Ort: Trubezkoje, Deutsches Nationalrajon Asowo, Gebiet Omsk, Russland, ul. Kolchosnaja 34
- Eröffnungsdaten: 2015, 2005
Beschreibung:
- 2015: Eine Stele aus schwarzem Marmor zeigt ein freundlich gestaltetes Gefängnisfenster mit einer Sonnenblume auf dem Fensterbrett. Die Sonnenblume steht für Hoffnung und Widerstandskraft trotz der dunklen Umstände des Gefängnisses. Inschrift: „Ehrerbietung der Nachkommen an die Opfer der Massenrepressionen“.
- 2005: Ziegelsockel in Form eines Quaders (1 × 1 × 2,5 m) mit Einzelpflug und Marmor-Gedenktafel: „Dorf Trubezkoje. 100 Jahre. 1905–2005“ sowie zwei stilisierte Weizenähren.
Historischer Hintergrund:
Gegründet 1905 von Siedlern aus Wolhynien, wuchs Trubezkoje während des Ersten Weltkriegs durch Flüchtlinge weiter. 1942 wurden 23 Personen in die Trudarmee mobilisiert.
⭐️Illustration:
Die freundliche Darstellung mit der Sonnenblume symbolisiert den Wunsch, den Opfern der Repressionen in einer positiven und ehrenden Weise zu gedenken, anstatt nur die Traurigkeit und Unterdrückung in den Vordergrund zu stellen.